rumänische Philosophie

rumänische Philosophie
rumänische Philosophie,
 
Sammelbezeichnung für die Philosophie und die philosophischen Entwicklungen des rumänischen Sprachraums, die sich (seit dem 19. Jahrhundert größere Eigenständigkeit und Ausprägung gewinnend) im europäischen Kontext, jedoch v. a. unter französischem Einfluss vollzogen, aber in ihrer Randlage die Entwicklung der europäischen Philosophie bisher kaum beeinflusst haben. Kennzeichnend für ihre Grundstruktur ist eine enge Beziehung zur Literatur, häufig gepaart mit politischem und sozialkritischem Engagement. Die Anfänge der rumänischen Philosophie reichen in das 17./18. Jahrhundert zurück, als D. Cantemir im Geiste von Humanismus und Aufklärung die Kenntnisse seiner Zeit zusammenfasste und die Siebenbürgische Schule entstand. I. Budai-Deleanu betätigte sich daran anknüpfend auf den Gebieten der rumänischen Geschichte und Philologie und strebte eine Erneuerung der platonisch-aristotelischen Denktradition an. N. Bălcescu versuchte im 19. Jahrhundert eine geschichtsphilosophische Begründung der politisch-revolutionären Zielsetzungen. Vasile Conta (* 1845, ✝ 1882) führte den Positivismus in die rumänische Philosophie ein, jedoch ohne dessen antimetaphysischen Komponente. T. L. Maiorescu, dem deutschen Idealismus verpflichtet, entwickelte kritische Positionen gegen eine kritiklose Rezeption westeuropäischer Denktraditionen und Kultur (Junimea). Weiter sind zu nennen die Geschichtsphilosophie von Alexandru D. Xenopol (* 1847, ✝ 1920), der Soziologismus Dimitrie Gustis (* 1880, ✝ 1955) und die Kulturphilosophie mit stark mystischer Prägung von L. Blaga. In neuerer Zeit waren die religionsphilosophische und mythologische Forschungen von Nae Ionescu (* 1890, ✝ 1940) und M. Eliade sowie das existenzphilosophisch beeinflusste Denken des Hegel-Übersetzers und -Interpreten Dimitrie D. Roşca (* 1895, ✝ 1980) bedeutsam. Einen in der Tradition A. Schopenhauers stehenden philosophischen Pessimismus vertrat É. M. Cioran. Schwerpunkte der rumänischen Philosophie seit dem Zweiten Weltkrieg bilden: die marxistische Philosophie (Gaál Gabor, * 1891, ✝ 1954; Lucreţiu Pătrăşcanu, * 1900, ✝ 1954), die Frage nach einer sozialistisch-demokratischen Gesellschaft auf der Grundlage von Freiheit, Unabhängigkeit und Humanismus; die Philosophiegeschichte (u. a. Übersetzungen klassischer philosophischer Werke ins Rumänische); wissenschaftstheoretische und logische Forschungen (Athanase Joja, * 1904, ✝ 1972; Dan Bădărau, * 1893, ✝ 1968; Florea Tuţugan, * 1908, ✝ 1961; Grigore C. Moisil, * 1906, ✝ 1973; Constantin Noica, * 1909, ✝ 1987). Noicas Schüler Andrei Pleşu (* 1948) widmet sich u. a. der Kulturphilosophie und ist auch als Publizist und Politiker tätig (1990-92 Kulturminister, seit 1998 Außenminister).
 
 
A. Tǎnase u. O. Cheţan: Romania, in: Handbook of world philosophy, hg. v. J. R. Burr u. a. (London 1981);
 M. Rebreanu: Das philosoph. Denken der Rumänen (a. d. Rumän., 1997).

Universal-Lexikon. 2012.

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